35,85 Kilometer und ein Sonnenbrand – Mein Worldrun Abenteuer in Barcelona
Es war meine allererste Laufveranstaltung. Ich bin früher gern gelaufen, als Kind in den Bergen. Seit meinem Sprunggelenksbruch vor fünf Jahren aber so gut wie gar nicht mehr. Erst heuer habe ich mich auf den World Run ein bisschen vorbereitet. Ich bin eher der Typ Querfeldeinläufer. Ausdauer und Kraft waren zwar nie ein Problem für mich, aber Geradeauslaufen auf Asphalt?
Noch etwas vorab: Ich widmete meinen World Run einem 16-jährigen Snowboard-Fan aus Frankreich, Sandrine Vasseur. Sie sitzt seit einem Autounfall im letzten Jahr im Rollstuhl und es geht ihr gar nicht gut. Es war für mich von Anfang an klar, dass ich den World Run mitlaufen werde, diese Veranstaltung ist wirklich etwas Großes. Für Sandrine und alle anderen, die im Rollstuhl sitzen: Querschnittslähmung muss heilbar werden. Genau dafür steht der Wings For Life World Run.
So erschien ich also am 4. Mai 2014 mit meiner tollen Startnummer 511 in Barcelona im Olympic Park, einem wunderschönen Startbereich und war bereit für alles. Herrliches Wetter, blauer Himmel, und eine Mörderstrecke vor mir über Autobahnbrücken und durch Barcelonas Industrieviertel, kein Baum, kein Schatten, kilometerweit. Das würde heiß werden, aber das wußte ich am Start noch nicht…
Der einzige internationale RedBull Sportler in Barcelona außer mir war Stefan Glowacz. Er sagte es gleich, er wollte spätestens bei 10km aussteigen, „I am a rock climber, no runner!“ sagte er im Spanischen TV-Interview. „No runners“ waren die spanischen Red Bull Athleten rund um mich ebenfalls: Carlos Sainz ein Ralleyfahrer, Hortensio Llorens ein Akro-Paragleiter, Ivan Cervantes ein Motorradfahrer, Gisela Pulido eine Kitesurferin, Queralt Castellet eine Freestyle Snowboarderin. Der einzige mit Laufkarriere war der Extrem-Triathlet Josef Ajram, aber auch er wollte bei 10km aussteigen, weil er am Abend vorher von einem mehrtägigen 700km Wüsten-Mountainbike-Rennen retourgekommen war und den WorldRun zum Auslaufen nahm… er sagte echt „zum Auslaufen“! Und ich – bin ich vielleicht ein Läufer mit meinem operierten Sprunggelenk? Wie gesagt, schauma mal, die Sache ist es auf jeden Fall mehr als wert!
Ich wollte mir – für meine Sportlerehre – mindestens die Halbmarathon Distanz vornehmen: 21,1km bevor das Catcher Car kommt. Mit Chema Martinez, dem spanischen Profi bei diesem Event (Olmypiamedaille, Europameister über 10.000m) unterhalte ich mich kurz, denn er ist hier der Favorit und Experte. Er meint, für einen schnellen Lauf ist es in Barcelona prinzipiell zu warm, die Luft zu feucht, die Streckenführung schwierig, wenig Schatten und ab km 48 beginnen die Berge, wo die Anstiege deinen Rhythmus und den Speed brechen. Er laufe einfach sein Tempo, sagte er. Spätestens ab da habe ich mir gedacht, ok, dann laufe ich halt auch einfach mein Tempo und so weit es geht…
Am Anfang sind wir eine kleine Gruppe mit derselben Geschwindigkeit, ein paar Franzosen und ich, sie Amateur-Triathleten und ich der Snowboarder. Sie legen einen beachtlichen Speed vor, und ich immer dabei. Jean Christophe Pennerath, der spätere Zweite, unterhält sich mit mir auf Deutsch. Er ist sehr gut drauf, macht die ganze Zeit Witze und erzählt Geschichten – damit kann ich nicht dienen, bin eher mit dem reinen Atmen beschäftigt….
Nach einer Stunde sind wir bei Kilometer 14 – wow, was für ein Tempo! Ich muß eine Pinkelpause einlegen, zuviel Wasser getrunken vor dem Start – und weg sind sie. Ab da laufe ich allein, quäle mich in der Hitze ab, ganz schön einsam auf Barcelonas Autobahnzubringern. Der Puls zu hoch, die Oberschenkel brennen – vielleicht soll ich die Geschwindigkeit zurücknehmen? Bei jeder Labestation trinken und Bananen fassen, es geht mir soweit ganz gut, also weiter. Ich schaue auf die Uhr, bin immer noch gut dabei, passiere 20km, 25km, und kein Catcher Car weit und breit! Zwei Läufer kommen von hinten, überholen mich, aber das ist mir im Moment wurscht, mir ist unglaublich heiß. Nach der 30km Labestation kommt wieder jemand von hinten und schließt auf. Da schau her, eine Frau! Sie hat Begleitung: ein Motorrad und ein Radfahrer mit der Tafel „First Woman“. Das motiviert mich jetzt aber ordentlich, und ich lege zu und laufe ein Stück mit ihr. Sie heißt Lizzie Styles, kommt aus den USA, und ist die spätere Barcelona Siegerin. Und dann hänge ich sie ab, es mußte einfach sein 😉
Bei Kilometer 35 bin ich immer noch dabei, das Catcher Car kommt von hinten langsam in Sichtweite, es fährt jetzt mit 17km/h. Die 35km Labestation ist da, soll ich stehenbleiben oder soll ich nicht? Aber der ÜberlebensInstinkt siegt: ich hole mir den letzten Energieschub bevor ich umfalle. Zwei Becher getrunken, Red Bull, Wasser, eine Banane gegessen – und dann lege ich den Endspurt hin, die Rennsau in mir kommt zum Vorschein: ich hole mir die zwei Läufer wieder, die mich vor 10 Kilometern überholt haben – yeah! – und mache noch 850 Meter, bevor das Catcher Car mit der Zeittafel neben mir ist. Ein erlösendes Gefühl.
35,85km in 2:47
Das war er, mein erster Laufevent. Und bestimmt nicht der letzte. Fazit: Eine schlaflose Nacht (mindestens sechzehn RedBulls), ein Wahnsinns-Sonnenbrand auf den Oberschenkeln, den Wadeln, den Armen, am Hals und zwei Tage nur sehr langsam Stiegen abwärts steigen… Aber eine wunderbare Stimmung und ein tolles Gefühl, bei etwas Großem dabeigewesen zu sein.
P.S. Ich melde mich gleich für den 3. Mai 2015 an, aber wenn möglich in Reykjavik, Alaska oder so.
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